Ein tonnenschwerer Tresor steht inmitten der Start-A-Factory-Halle: Darin versteckt sich eine hochmoderne Messkammer für die Charakterisierung und Kalibrierung von Antennen-, Kommunikations- und Radarsystemen der Zukunft. Die Kammer ist der ideale Ort, um Radar- und Kommunikationssysteme praxisnah zu evaluieren.
Auf den ersten Blick erinnert die komplett mit Absorbern ausgekleidete Kammer an ein Tonstudio, doch anders als bei Sound-Aufnahmen schwächt die Pyramiden-förmige Styroporbekleidung hier elektromagnetische Wellen statt Schall. Eine zusätzliche leitfähige Beschichtung sorgt für eine verbesserte Abschirmung bei hohen Frequenzen. Dank einer modernisierten Ausstattung, ist nun ein ideales Messumfeld für alle entstanden, die zuverlässige Messdaten für neueste Hardware-Entwicklungen benötigen, ihre Systeme optimieren oder Interferenzen minimieren wollen. Besonders für Unternehmen, die darauf abzielen, reproduzierbare Experimente durchzuführen um elektronische Systeme auf höchstem Niveau zu entwickeln, kann die neue Messkammer gewinnbringend sein.
Die Kammer bietet auch die Möglichkeit, Antennen im Millimeterwellenbereich zu messen: Hierbei wird das Signal zwischen einer sendenden Antenne und einer Hornantenne auf der Empfängerseite analysiert. Dank einer 360° drehbaren Halterung sind exakte Messungen aus verschiedenen Betrachtungswinkeln möglich. Zusätzlich kann der gesamte Sender-Schlitten bei Bedarf sowohl robotergesteuert als auch manuell gedreht und eingestellt werden, um individuelle Anforderungen an die Testszenarien zu erfüllen.
Für Echtzeit-Messungen von Radarsystemen an bewegten Zielen wurden programmierbare Linearachsen nachgerüstet. Je nach Messszenario können unterschiedlichste Gegenstände flexibel auf die Achsschlitten montiert und so die Auflösung des Radars im Hinblick auf Winkel, Abstand und Geschwindigkeit untersucht werden. Zusätzlich können auch MIMO-Radare kalibriert werden. Für noch komplexere Messungen, bei denen sich das Radarsystem selbst während der Messung horizontal bewegen soll, können weitere Achsen eingebaut werden. Solch eine präzise und zuverlässige Zielerkennung ist beispielsweise für die Entwicklung von Radarsystemen relevant, aber auch bei industrieller Prozesssteuerung von hoher Bedeutung.
Die gesamte Kammer ist in der Art eines Faradayschen Käfigs aufgebaut, sprich die Hülle ist aus leitfähigem Material und im Inneren komplett frei von elektromagnetischen Feldern. Um diese Eigenschaften umzusetzen, wurden bei der Konstruktion der Kammer sämtliche stromführende Kabel und Geräte aus dem Innenraum verbannt, so dass störende Effekte vermieden werden. Somit werden Wiederholbarkeit und Zuverlässigkeit der Messungen sichergestellt, die zu fundierten Entscheidungen für die weitere Umsetzung der Systeme beitragen. Nur wenige Schritte entfernt befindet sich der Kontrollraum: Hier können die Ergebnisse der Messungen abgelesen und analysiert werden.
Die Möglichkeiten der Messkammer sind so vielfältig wie die Anforderungen an Antennen und Radare selbst: Von der Testung von Sensoren für autonomes Fahren reichen sie über die Charakterisierung von 5G-Antennen hin zur Untersuchung der Abstrahlung und Materialwechselwirkungen bei Antennen. Durch die hohe Flexibilität der Kammer können verschiedenste Aufbauten schnell umgesetzt und nahezu alle Szenarien getestet werden.
Eine Messkammer für Antennen, Kommunikation und Radare auf diesem Ausstattungsniveau war bisher vorwiegend großen Industrieunternehmen und Forschungseinrichtungen vorbehalten, da die Konstruktion und Instandhaltung sehr kostspielig sind. Mit einem Blick auf den steigenden Messbedarf bei Hardware-Startups auf dem Bereich neuartiger Kommunikations- und Radartechnologien, kann die Prüfkammer im Rahmen von Kooperationsprojekten eingesetzt werden und einen wesentlichen Impact auf die Entwicklung der Hardwarekomponenten liefern. Die Entwicklungsteams profitieren insbesondere von der von der am Fraunhofer IZM gebündelten Radar- und Antennen-Kompetenz.
Interesse geweckt? Ab sofort können auch Startups und Entwicklungs-Teams zusammen mit den Mitarbeiter:innen des Instituts unsere Messkammer nutzen.